Ich war seit 1919 zuerst Studienassessor und dann Studienrat an der damaligen Oberrealschule und späteren Ludendorff-Oberschule in Dortmund und betreute seit Sommer 1943 die Schüler, welche als Luftwaffenhelfer bei den Dortmunder Flakbatterien Kriegsdienst leisteten. Diese Arbeit endete im Oktober 1944. Seitdem beschäftigte ich mich mit dem Bergen der umfangreichen physikalischen und chemischen Sammlungen aus dem schon halbzerstörten Schulgebäude, die ich 20 Jahre lang aufgebaut, erneuert und verwaltet hatte. Zum Januar 1945 erhielt ich vom Schulkollegium Münster eine Vertretung an der Oberschule für Jungen in Unna und im Februar 1945 eine gleiche in Schwer-te. Ich meldete mich zum Dienstantritt bei Herrn Oberstudienrat Dr. Fromen, der die Schule vertre-tungsweise leitete. Der eigentliche Direktor der Schwerter Oberschule war vom nationalsozialisti-schen Kultusministerium ernannt – Herr Oberstudiendirektor Oehler, der vorher Studienrat in Hagen gewesen war. Da Herr Oehler aber als Offizier im Felde stand, hat er nie an der Oberschule Dienst getan. Er verlor seine Stelle daher nach dem Zusammenbruch.

Der Unterricht wurde schlecht und recht aufrechterhalten. Es gab viele Alarme. Die meisten Schüler gingen bei Vormittagsalarm meist schnell nach Hause. Manche Schüler und auch Lehrer blieben im Luftschutzkeller. Dieser Raum war nur ein Teil des mit Holzstempeln abgestützten Kellers, in dem auch die Hausmeisterwohnung lag. Ich habe immer ein unsicheres Gefühl darin gehabt. Da ich in Dortmund wohnen blieb, kam ich Anfangs mit der Straßenbahn über Horde nach Schwerte und später, als die Bahn nach größeren Bombenangriffen nicht mehr fuhr, mit dem Fahrrad, So war es auch, als ein Teilangriff auf Schwerte erfolgte. Ich fuhr nach dem Mittagsalarm die Hörderstraße hinauf und kam in den großen Angriff auf Dortmund. Die Bomben sausten über mir weg in Richtung Nickelwerk. Der Himmel verfinsterte sich und der Nordwind trieb schwarzen Rauch mit ver-kohlten Papierfetzen über Schwerte hinweg, Aus dem Hörder Rohr schlugen Flammen und die Häuser an der Kluse brannten. Es war jener Tag, an dem am Nickelwerk in Schwerte viele Men-schen umkamen und auch die Schülerin Margarete Mergenthaler aus der 6. Klasse ihr Leben lassen mußte. Meine Wohnung in Dortmund war heil gehlieben, wenn auch schon ziemlich von Bomben-splittern durchsetzt. So trieb die Kriegslage ihrem tragischen Ende zu. Das Schlimmste kam aber noch für mich. Am 12. 3. hatten wir Nachmittagsunterricht. Um 16 Uhr gab es Alarm. Ich fuhr schnell gegen Dortmund zu und erlebte bei Nathe den schlimmsten Angriff, der Dortmund zerstör-te. Hunderte von viermotorigen Bombern warfen ihre tödliche Last ab. Die Erde zitterte und bebte. Nachdem ich etwa eine Stunde gewartet hatte, wagte ich mich mit meinem Rad nach Dortmund zurück. Ab Hörde muße ich das Rad meist über zerwühltes Gelände und Bombentrichter tragen. Leichen lagen umher, der Westfalendamm war nur noch ein Trichterfeld.

Ein Bombenvolltreffer hatte unser Haus getroffen und alles zerstört. Meine Frau und meine Tochter fand ich verstört, aber unverletzt im Bunker an der Sonnenstraße. Wir lebten drei Nächte dort und dann nahm ich das An-gebot meines Kollegen, Studienrat Frieber, an und wir drei zogen, nur mit dem Notdürftigsten ver-sehen, zu Fuß über Benninghofen und den Sommerberg zur Bergstraße, wo wir von Familie Frieber gastfreundlich aufgenommen wurden. Der Weg über Hörde war zu gefährlich, weil dort am Tage die Jagdbomber auf die Menschen schössen. Auch die Straßen nach Ergste, Geisecke und Hagen wurden von feindlichen Jabos überwacht, sodaß der Unterricht eingestellt werden maßte. Die Lä-den in Schwerte wurden erst ab 18 Uhr geöffnet, da es am Tage zu gefährlich war. Damit war das schulische Leben zunächst erloschen und alle Menschen richteten sich darauf ein, den Untergang des Reiches zu überstehen. In der Nacht zum 13. April, um 4 Uhr Nachts erfolgte der Einmarsch der Amerikaner.
Da nunmehr die Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen frei wurden und Trupps von ihnen durch das Land zogen, um nach Hause zu kommen, wurde es abends gefährlich. Eine größere Gruppe von Fremdarbeitern wurde ins Gymnasium gelegt und hausten wie Wilde darin. Die Hausmeisterin, Frau Busemann, konnte es nicht verhindern, daß Teile der naturwissenschaftlichen Sammlungen zerstört wurden. Tische und Bänken dienten zur Feuerung, Landkarten wurden zerschnitten und daraus Fenstervorhänge gemacht.
Diejenigen Lehrer, die, wie ich, keine Mitglieder der NSDAP gewesen waren, wurden bei der Stadtverwaltung beschäftigt, die übrigen mussten ohne Gehalt vom Dienst suspendiert werden und sich der Entscheidung der Entnazifizierungskommission stellen. Da noch keine Aussicht bestand für die Wiedereröffnung der Schule blühte der private Nachhilfeunterricht, da die Eltern richtig erkann-ten, daß ihre Kinder nicht tatenlos herumlaufen durften. Die Verpflegung war schlecht, doch schon ab August gab es vermehrte Brotrationen.

Leider traf die traurige Nachricht ein, daß Herr Stadienrat Frederking, für den ich die Vertretung übernommen hatte, noch in den letzten Tagen des Krieges gefallen war. Einige Kollegen, die als Volkssturmleute in Gefangenschaft geraten waren, kamen total erschöpft zurück. Die Monate Au-gust und September vergingen so und man hatte nur das bestreben, die schmale Kost aufzubessern. Inzwischen hatte ich auch eine kleine Wohnung in der Schützenstraße erhalten.
Am 25. 10. ließ mich der von den Amerikanern eingesetzte Bürgermeister Pfarrer Kleinemeyer ru-fen, um mir die Direktorstelle der Oberschule anzutragen. Ich nahm an und setzte mein Bewer-bungsschreiben auf. Ich fuhr auch sofort nach Münster, wo ich meinen früheren Direktor, Dr. phil. H. Keisker als Oberschulrat antraf. Daher konnte mir der Herr Bürgermeister schon am 9. 11. die stellvertretende Leitung der Oberschule übertragen, mit dem Ersuchen, die Förderlehrgänge und die Klassen möglichst schnell wiedereinzurichten. Am 10. 11 übernahm ich von Herrn Oberstudienrat Dr. Fromen die Amtsgeschäfte. Es stellte sich heraus, daß ausser mir und Herrn Dr. Kintrup nur die Herren Wienken, Dr. Fromen und Frieber zum Unterricht zugelassen waren.
Im allgemeinen Wiederaufbau nahm natürlich der Wiederaufbau des Gymnasiums nicht die erste Stelle ein, denn zuerst mußten die notwendigsten Dinge des täglichen Lebens wieder in Gang ge-bracht werden. Das Schulgebäude an der Lessingstraße war in dem gegenwärtigen Zustand nicht zu gebrauchen. Auf der ersten Lehrerkonferenz am 29. 11. konnten wohl die anstehenden Fragen be-sprochen, aber noch keine Entscheidungen getroffen werden. Ich bemühte mich um Lehrkräfte, be-sonders am die Wiederzulassung von Herrn Dr. Hiddemann. Auch bombardierte ich das Schulkolle-gium mit Anfragen, Anregungen und Vorschlägen. Aber es war nicht möglich, bürokratische Hem-mungen der Herren in Münster zu überwinden. Ich war der Meinung, daß die Lage nach einem voll-ständigen Zusammenbruch und nach der bedingungslosen Kapitulation nur mit drastischen und un-konventionellen Mitteln zu meistern war. Ich habe mehrere Male in Münster heftige Auseinander-setzungen gehabt, aber es war erfolglos.

Am 16. 12. war noch keine Änderung der Lage zu bemerken, doch sickerte das Gerücht durch, daß eine Verfügung unterwegs sei. Ich eröffnete im Rathaus ein Büro zur Anmeldung von Schülern und Teilnehmern an den Förder-lehrgängen zur Erlangung der Reifeprüfung. In diese Lehrgänge konnten alle diejenigen Schüler aufgenommen werden, die mit dem Reifevermerk ohne Prüfung zur Wehrmacht entlassen worden waren. Aber noch kam keine Verfügung von Münster. So ging der Dezember ins Land und wir feierten das erste Weihnachtsfest in friedlicher Stimmung und glücklich, lebend davongekommen zu sein. Die Zukunft war sehr düster. Noch schwebte das Damoklesschwert des Morgentauplans über uns, aber wir verloren auch beim Eintritt ins neue Jahr 1946 den Mut nicht. Endlich war es so weit.

Durch Erlass vom 15. 2. 1946 wurde die Wiedereröffnung genehmigt. Aber auch die Engländer, die die Amerikaner bei der Besetzung abgelöst hatten, mußten erst die Genehmigung aussprechen. Der Erlass war eine Enttäuschung. Es wurde nur die Unterrichtserlaubnis der Herren Dr. Kintrup, Frie-ber und Wienken ausgesprochen. So waren wir nur vier Lehrer und damit konnte höchstens der Förderlehrgang aufgemacht werden. Da mich der englische Kommissar als Leiter bestätigte, hatte ich mehr Freiheit. Ich bemühte mich mit allen Mitteln um die Zulassung der Herren Korb, Stüttgen, Nimtz und Lehnert. Herr Nimtz war ein junger Studienassessor, der als Vertriebener aus Pommern gekommen war, und Herr Lehnert war ein Diplomingenieur und Lehrer an einer höheren technischen Lehranstalt in Mährisch-Ostrau. Er kam als Chemiker in Frage. Dann meldete sich noch Herr Studi-enassessor George, der aus Schlesien kam. Für ihn konnte ich die Genehmigung zum Unterricht er-langen. Desgleichen für die Herren Stütten und Nimtz.

Am 1. März eröffneten wir dann die beiden Förderlehrgänge. Es waren 67 Teilnehmer und Teilneh-merinnen, die in zwei Klassenräumen der alten Schule an der Kuhstraße ihre Arbeit aufnahmen. Die jungen Leute waren Kriegsteilnehmer, zum Teil Offiziere, auch mit Kriegsauszeichnungen. Da nur die Hauptfächer gegeben wurden, konnten wir beginnen. Herr Dr. Kintrup und ich übernahmen die beiden Klassen und die Herren Stüttgen, Nimtz und George sowie Herr Lehnert teilten sich in die übrigen Fächer.
Der Kursus sollte bis zum Sommer dauern, doch konnten Teilnehmer mit besonderen Leistungen vorzeitig mit dem Zeugnis der Reife entlassen werden. Es wurden nun anstrengende Monate mit schwerer, weil komprimierter Arbeit für Teilnehmer und Lehrer. Wir waren ganz auf uns selbst ge-stellt, ohne Anweisung von oben. Der Anfang brachte Schwierigkeiten, denn: Aus dem Feld durch den Zusammenbruch auf die Schulbank, einige als ehemalige Kompagnieführer, das war nicht ein-fach. Ich hatte noch Erfahrungen von Ostern 1919, als wir nach dem ersten Weltkrieg ebenfalls Kriegsteilnehmer auf die Reifeprüfung vorzubereiten hatten, Doch damals kam ich selbst auch als junger Leutnant und Assessor aus dem Krieg und wir unterrichteten gewissermaßen als Kameraden. Aber es lief alles gut an und wir Lehrer hatten viel Freude an dieser Arbeit. So auch bei unseren Kursen.
Daß diese Kursusteilnehmer größtenteils aus Dortmund stammten, war kein Wunder, denn das fast völlig zerstörte Dortmund war noch nicht in der Lage, Schulen zu eröffnen. Ich nenne die Namen der 66 Teilnehmer, weil sie die ersten waren, die den Schulbetrieb wiedereröffneten:

Zuerst nenne ich die sieben, welche wegen besonderer Leistungen das Reifezeugnis vor den Sommerferien erhielten:

1) Hans-Georg Lengemann,
2) Wilhelm Reuter,
3) Reinhold Klaus,
4) Wilhelm Theiss,
5) Friedrich Dicke,
6) Hans Klüting,
7) Lena Linner

Die Namen der anderen 59 lauten:

1) Ellen Baukenkrodt,
2) Paul Behrenbeck,
3) Grete Bergmann,
4) Peter Bimberg,
5) Hanna Bräking,
6) Friedel Brune,
7) Else Bußmann,
8) Karlheinz Elsing,
9) Wolfgang Ernst,
10) Siegfried Freisleben,
11) Dora Giese,
12) Horst Walter Haak,
13) Johann Hajdu,
14) Jürgen Hidding,
15) Walter Höher,
16) Inge Hövelmann,
17) Wilhelm Kraumendahl,
18) Arthur Kritzler,
19) Günter Luck,
20) Hermann Millard,
21) Franz Niggemeier,
22) Christel Petersmann,
23) Rudolf Ostermann,
24) Theo Pähler,
25) Fritz Pötter,
26) Friedrich Plate,
27) Norbert Rustemeyer,
28) Walter Schmidt,
29) Paula Schreckenberg,
30) Manfred Sentko,
31) Inge Seyfahrt,
32) Renate Siegmund,
33) Franz-Josef Stiens,
34) Annegret Wiegand,
35) Dieter Dieckmann,
36) Trutz Dortschy,
37) Gisela Enk,
38) Hedwig Garre,
39) Wilfried Hacheney,
40) Hubert Heckmann,
41) Gerhard Holdinghausen,
42) Udo Hövelmann,
43) Ursula Korte,
44) Karl Heinz Kracht,
45) Waltraud Rahn,
46) Klaus Reusse,
47) Günter Richwin,
48) Gerald Röthke,
49) Margret Schmalohr,
50) Hans Schmidt,
51) Friedrich Sock,
52) Gerd Stehl,
53) Rolf Tschiersch,
54) Wolfram Vogel,
55) Wilhelm Watermann,
56) Doris Winkler,
57) Ernst Günter Wolff,
58) Kurt Wollhaupt,
59) Liselotte Zebrowski.

Inzwischen wurde auch der Schulunterricht wiederaufgenommen. In Ermangelung von Lehrkräften kamen die Klassen 1, 2, 3, 4a und 4b vorläufig dreimal in der Woche je eine Stande zur Schule. Die Räume hatten die Volksschulen zur Verfügung gestellt. Dort nahmen die Schüler Wiederholsangs-aufgaben entgegen, die als Hausaufgaben für die nächste Stunde abgeliefert werden mußten. Es waren deutsche Aufsatzthemen, Wortbildungsübungen, Lateinübungen und Rechen- und Mathema-tikaufgaben. So erfassten wir zunächst 241 Schüler, ohne Förderlehrgänge. Dieser Ersatzunterricht begann am 5. 3. 1946.Ausserdem wurde eine Kinderspeisung eingerichtet. Im Laufe der nächsten Wochen wurde auch die Instandsetzungsarbeit am Gymnasialgebäude begonnen.

Das Lehrerkollegium setzte sieh aus folgenden Herren zusammen:
1. Komm. Schulleiter: Studienrat Wilhelm Jäde,
2. Die Studienräte Dr. Arthur Kintrup, Walter Wienken und Paul Frieber.
3. Die Studienassessoren Heinrich Stüttgen, Siegfried Nimtz und Helmut George.
4. Diplomingenieur A. Lehnert.
Zu erwarten war die Wiedereinstellung des Herrn Studienrat J. Korb. Vom Unterricht waren noch suspendiert die Herren Studienräte Dr. Hiddemann, Klaus, Buckemüller sowie die Oberschullehrer Lengemann und Grundmann, desgl. Herr Oberstudienrat Dr. Fromen. Herr Studienrat Abel befand sich noch in Kriegsgefangenschaft in Rußland.
Am 1. 5. wurde die 5. Klasse eröffnet und so war ich genötigt, den Ausbau des Gymnasialgebäudes persönlich voranzutreiben, damit endlich ein regelrechter Unterricht begonnen werden konnte. Zum Lehrerkollegium kamen noch hinzu Herr Diplomingenieur Jung zur Aushilfe für Latein und Französisch und der katholische Vikar Münzner. Die Lehrkräfte waren sehr stark belastet und der Unter-richt wurde scharf gehandhabt, damit die Schüler nicht noch ein Jahr verlieren sollten. Bald kamen dann noch die Klassen 6 und 7 dazu und ein Sonderlehrgang zur Erlangung der Reifeprüfung. Ich muß aber auch hervorheben, daß eine große Unruhe dadurch in die Schulverhältnisse kam, daß täg-lich neue Schüler sich anmeldeten, darunter viele Heimatvertriebene und Schüler aus Dortmund, daß aber auch Dortmunder Schüler die Schule verließen, wenn in Dortmund wieder Aufnahmemöglich-keit bestand. Das vergrößerte die Verantwortung der Lehrer ausserordentlich, denn die Schäden sollten von der Jugend ferngehalten, aber die ungeeigneten Elemente auch ausgemerzt werden.

Am 20. 7. fand die mündl. Reifeprüfung und gleichzeitige Entlassung der 7 genannten Teilnehmer der Förderlehrgänge statt, die auf Grund besonderer Leistungen vorzeitig zugelassen waren. Am gleichen Tage betrug die Zahl der Schüler 447 ohne Förderlehrgang. Die schriftliche Reifeprüfung der anderen fand statt vom 16. 9. his 19. 9. 1946 und die mündliche vom 30. 9. bis zum 5. 10. 1946.
Damit war eine große Arbeit abgeschlossen. Sie brachte sehr viel Arbeit, nicht nur in pädagogischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf den Papierkrieg. Wir Mitglieder des Kollegiums waren völlig auf uns selbst gestellt und mußten nebenbei noch die Riesenarbeit des Wiederaufbaus der Klassen und des Gebäudes mitbewältigen. Es gab sehr scharfe Auseinandersetzungen mit vorgesetzten Be-hörden, die sich so zuspitzten, daß ich am 23. 9. 1946 nach einer Auseinandersetzung im Schulkol-legium in Münster mein Amt als komm. Leiter des Gymnasiums niederlegte. Dabei spielten auch politische Gründe eine Rolle. Am 1. Oktober übernahm dann Herr Studienrat Dr. Kintrup die komm. Leitung des Gymnasiums.

Inzwischen war auch das alte Schulgebäude wieder bezogen worden. Die Firma Turnmeyer-Hagen lieferte neue Schulbänke und wenn es auch an Wohnlichkeit mangelte, so waren doch Eltern, Lehrer und Schüler froh, daß nun endlich mit einer regelmäßigen Arbeit begonnen werden konnte. Am 30. November 1946 endete die Tätigkeit des Herr Diplomingenieurs Hermann Jung und an seine Stelle trat der Studienassessor Dr. Borgis. Aber nun kamen andere Unannehmlichkeiten: Wegen gänzli-chen Mangels an Heizmaterial konnte der Unterricht ab Montag, dem 25. November nicht mehr durchgeführt werden. Nun mußten die Schüler täglich um 10:30 Uhr zur Schule kommen, wo die Hausaufgaben überprüft und neue Aufgaben für den folgenden Tag gestellt wurden. Doch bald gelang es uns, durch Beziehungen wieder Koks zu erhalten, sodaß der Unterricht wieder aufge-nommen werden konnte. Aber solche Koksmängel traten im Laufe des nächsten Winters noch meh-rere Male auf. Bald wurden auch die Herren Dr. Hiddemann und Frieber wieder zugelassen, sodaß wir mit mehr Hoffnung in die Weihnachtsferien gingen, als ein Jahr vorher. Das Gebäude verfügte nun über 11 Klassenräume und einen Physikraum, aber die Turnhalle und die Aula waren noch nicht zu benutzen. Daneben hatten wir noch 3 Klassenräume an die städt. Berufsschule abgetreten. Aus-serdem machten wir Schichtunterricht mit dem Mädchengymnasium, abwechselnd vor- und nach-mittags.
Das neue Jahr begann mit zwei bemerkenswerten Ereignissen. Herr Studienrat Abel kehrte aus russi-scher Gefangenschaft zurück und nahm seinen Unterricht auf. Herr Oberschullehrer Lengemann erlitt am 22. 1. einen Herzschlag und verschied. Es war ihm nicht vergönnt, seine Wiederzulassung zum Unterricht zu erleben.

Die Schüler hatten längere Weihnachtsferien, da sich der Koksmangel wieder bemerkbar machte und begannen den Unterricht im neuen Jahre erst am 22. Januar. Auch im Februar mußte der Unter-richt der Kälte wegen für 7 Tage ausfallen, es gelang aber, für die Sonderlehrgänge den Konfirman-densaal zu erhalten, sodaß diese Schüler keine Einbuße erlitten. Aber auch an den Tagen, an denen kein Unterricht erteilt werden konnte, kamen die anderen Schüler täglich zur Schule, am die Haus-aufgaben überprüfen zu lassen und neue in Empfang zu nehmen. Im Anschluß daran fand jeweils die Schulspeisang statt. Ende Februar kam als neuer Lehrer noch der ehemalige Abiturient und jet-zige Stadienreferendar Hellmut Schmidt, sodaß die Unterrichtsverteilung wieder verbessert werden konnte. Auch Herr Pastor Millard übernahm einige Stunden ev. Religionsunterricht. Trotzdem be-stand ein fühlbarer Lehremangel. Denn zur Neuaufnahme für die Sexta meldeten sich 84 Schüler. Auch mußten für Ostern zwei 5. Klassen erwartet werden, die ja neu hinzukamen. Das waren also 3 bis 4 neue Klassen. Ausserdem war Herr Dr. Fromen noch entlassen. Da seine Zulassung zu erwar-ten war, konnte man für das neue Schuljahr mit 17 Lehrkräften rechnen: Dr. Kintrup als komm. Lei-ter, und den Herren Frieber, Hiddemann, Jäde, Fromen, Klaus, Korb, Wienken, Abel, Buckemüller, Grundmann, Stüttgen, George, Nimtz, Borgis, Millard und Münzner. Ausser Kunsterziehung waren daher alle Fächer besetzt. Die Versetzung der Schüler fand erst am 23. Mai statt. Da aber die Son-derlehrgänge im Juni schon ihre Reifeprüfung ablegten, ging das neue Schuljahr voller Hoffnung an. Leider konnten wir auf die Mitarbeit der Herren Fromen und Abel noch nicht rechnen, da die Mili-tärregierung sich noch nicht entschließen konnte, die Zulassung auszusprechen. Sie erfolgte für Herrn Abel erst am 3. 3. 1948 und für Herrn Dr. Fromen erst Ende April. Im Allgemeinen konnten aber Störungen des Unterrichts aufgefangen werden. Leider konnten wegen Platzmangel von den in der Sextaaufnahmeprüfung geprüften 83 Schülern nur 54 aufgenommen werden. So konnten wir mit einiger Zuversicht ins neue Schuljahr gehen. Man muß bedenken, daß damals noch die R-Markzeit war und daß der Wert dieser Mark gering war.

Auch die Zahl der Schüler war zurückgegangen, nachdem die Sonderlehrgänge im Juli 1947 ihre Reifeprüfung gemacht hatten. Die Zahl betrug am 15. 5. 1948 403, darunter 178 Auswärtige und 8 Schülerinnen. In den Jahren 1919 bis 1939 betrag die durchschnittliche Schülerzahl pro Jahr 259. Nach dem Kriege schwoll sie zunächst an und nun ging sie langsam zurück. Die Ausrüstung der Schule mit Lehrmitteln war sehr schlecht geworden; der Unterhaltsträger – die Stadt – war nicht in der Lage, besondere Mittel auszugeben. Darunter litt der physikalische Unterricht sehr, auch die Chemie und der Turnunterricht. Ein Zei-chensaal war nicht vorhanden, auch kein Zeichenlehrer bzw. Kunsterzieher. Herr Nimtz übernahm in einigen Klassen den Kunstunterricht. Sonst mangelte es an Allem. Es fehlten Glühlampen, Besen, Bürsten und Putzlappen. Es muß hierbei hervorgehoben werden, daß der Hausmeister, seit Oktober 1946 Herr Bernhard Reddemann, mit vollem Einsatz seiner Kraft arbeitete. Die Reinerhaltung der Schule war ein Problem. Vormittags die Jungen, nachmittags die Mädel, oder umgekehrt, das ließ kaum Zeit zur Reinigung. Auch wir in der Schule spürten, daß die wirtschaftliche Lage nach einer Währungsreform drängte. Diese Reform kam in den großen Ferien und bedeutete einen tiefen Ein-schnitt in das wirtschaftliche Leben. Für die Besserung der Verhältnisse im Lehrbetrieb und am Schulgebäude konnte man sich noch nicht viel erhoffen. Die Kapitalbildung setzte langsm ein und es war noch ein weiter Weg, ehe Geld auch unsere Schule erreichte.
Dabei waren dringende Reparatur- und Anbauarbeiten notwendig, die in den nächsten Jahren lau-fend ausgeführt wurden und die häufig den Unterricht störten, denn sie konnten nicht immer in den Ferien ausgeführt werden.

Herr Dr. Kintrup leitete die Schule und war unermüdlich um die Besserung der Verhältnisse bemüht und alle Lehrer setzten ihre ganze Kraft ein, um mit den gegebenen Verhältnissen das Beste für die Schüler zu erreichen. Zur Zeit der Währungsreform besuchten 395 Schüler die Schule und wurden in 10 Klassen unterrichtet. Zu Beginn des neuen Schuljahres traten die Assessoren Dr. Weinrich und Helmut Schmidt ein, von denen der letztere schon als Referendar einige Stunden gegeben hatte. In den Sommerferien 1949 erhielt die Schule eine neue Heizung im Wert von 40 000 DM. Das war der Anfang einer Reihe von Umbauten. Ein erfreulicher, ja sensationeller Erfolg war uns im Schuljahr 1949 beschieden: Im sportlichen Wettkampf um das Banner der höheren Schulen Westfalens ging unser Gymnasium als Sieger hervor und führte im Triumph das schöne Banner nach Schwerte. Herr Grundmann konnte mit Recht stolz sein auf dieses Ergebnis, denn die Trainingsübungen konnten nur unter mangelhaften Verhältnissen durchgeführt werden.
Gegen Ende des Schuljahres l949/50 wählte mich der Rat der Stadt Schwerte zum Oberstudiendi-rektor. Da die Ratsherren erstmalig in freier Wahl vom Volk gewählt worden waren, hatte diese Wahl mehr Bedeutung für mich als jene im Jahre 1946, wo ein von der Militärregierung berufener Rat diese Wahl schon einmal vorgenommen hatte. Ich nahm sie an und am 23. August 1959 über-reichte mir der Herr Bürgermeister die vom Kultusminister unterschriebene Ernennungs-Urkunde. Es war mitten in den Sommerferien und am Gebäude wurden anstelle der alten Fenster neue große Stahlfenster eingesetzt. Leider verzögerte sich diese Arbeit so sehr, daß der Unterricht erst am 5. September wiederaufgenommen werden konnte.
Gleichzeitig trat Herr Dr. Kintrup wegen Erreichung der Altersgrenze in den Rahestand.
Damit trat ein Mann von seiner Arbeit ab, der fast sein ganzes Lehrerleben in Schwerte verbrachte und durch dessen Hände tausende von Schwerter Schülern gegangen sind. Wenn er auch still und zurückhaltend war, so zeigte er doch große Charakterstärke, besonders in der Zeit des Nationalsozi-alismus, in der er sich standhaft und mit Erfolg weigerte, der Nazipartei beizutreten. Immer war er fleißig und gewissenhaft, immer war er einsatzbereit und als kommissarischer Schulleiter des Gym-nasiums kommt ihm ein großes Verdienst am Wiederaufbau der Schule zu. Nun ist er 81 Jahre alt, bei guter Gesundheit und nimmt noch mit regem Interesse am Schulischen Leben der Stadt Schwer-te teil.

Ich übernahm eine Stelle, die seit der Zwangspensionierung des Herrn Oberstudiendirektors Loescher im Jahre 1937 nicht wieder besetzt gewesen war.
Die Schule war bekanntlich vom Hofrat Bährens 1789 ins Leben gerufen worden, war in der Fran-zosenzeit eingegangen und im Jahre 1829 als Rektoratsschule – d.i. eine Art Mittelschule –wiedereröffnet worden. Am 26. 4. 1900 wurde sie feierlich in ein Progymnasium umgewandelt und der Leiter, Herr Dr. Renz als Direktor bestätigt. Er leitete die Schule schon seit 1887 und feierte 1913 seit 25-jährlges Jubiläum als Leiter der Schule. 40 Jahre war die Schule im alten Gebäude am Ostentor untergebracht und im Jahre 1901 wurde das jetzige, heute alte Gebäude bezogen. Im Jahre 1920 folgte Herr Direktor Loescher als Leiter der Anstalt und baute sie zur Vollanstalt aus. Die erste Reifeprüfung fand Ostern 1924 statt.

Ich möchte zur Erinnerung die Namen der Lehrer und der ersten Abiturienten hier nennen:
Das Lehrerkollegium bestand aus folgenden Herren:
I. festangestellte Herren:
1. Loescher, Studiendirektor.
2. Wiebeck, Professor und Studienrat.
3. Blauth, Studienrat.
4. Dr. Hoffmann, Studienrat.
5. Frieber, Studienrat.
6. Schmidtmann, Studienrat.
7. Banse, Oberschullehrer.
8. Lengemann, Oberschullehrer.
II. Nichtfestangestellte:
Die Stadienassessoren Dr. Hiddemann, Dr. Jünemann, Klaus, Dr. Fromen und Dr. Koch.
Musiklehrerin Saamann und Kaplan Winter.

Die ersten Abiturienten des Gymnasiums heißen:
1. Friedrich Abel.
2. Luise Burdewick.
3. Fritz Dieckmann.
4. Helmut Döpp.
5. Karl Habedank.
6. Werner Ibert.
7. Heinrich Oberste.
8. Karl Rahlenbeck.
9. Erich Remscheid.
10. Heinrich Schlep.

Unter den Namen der früheren Lehrer ragt besonders der des Professors Paul Feldhügel hervor. Er hat in den Jahren 1905 bis 1923 allein in der Schwerter Zeitung 81 Aufsätze über die Geschichte der Stadt Schwerte veröffentlicht. Unter ihnen befinden sich einige, die sich mit der Geschichte des Gymnasiums beschäftigen. 1) 1908: Die Lehrer der reformierten Gemeinde. 2) Das höhere Unter-richtswesen in Schwerte vor 100 Jahren. 3) 1912: Die hohe Knabenschule in Schwerte. 4) Schwerte im Jahre 1792. 5) Zur Jubelfeier des Realgymnasiums Schwerte 1925. 6) Ehrentafel des Realgymna-siums einschl. Rektoratschule.
Daneben finden sich noch eine Menge von Veröffentlichungen. Die eine, die sich auf die Schule bezieht, ist die Abschrift einer Abhandlung, die von Hofrat Bährens verfasst ist, und die zweite ist ein Beitrag, der in den „Beiträgen zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark“ aus dem Jahre 1927 erschien. Feldhügels Verdienste am die Geschichte der Stadt Schwerte und des Gymna-siums wurden dadurch geehrt, daß nach ihm eine Seitenstraße der Graf-Adolfstraße genannt wurde.
Übrigens bestand das heute alte Gebäude der Schule aus zwei Teilen. Der erste wurde, wie genannt, 1901 gebaut und der zweite erst in den Jahren 1924-25.
1937 fiel Herr Oberstudiendirektor Loescher dem „Beamtengesetz“ der Nationalsozialistischen Re-gierung zum Opfer, sodaß ich erst der dritte ordentliche Leiter der Schule war. Aber auch der Schul-typ änderte sich mit den Leitern. In der Ära Renz: Wandlung von dem Typ Rektoratschule zum Progymnasium, in der Ära Loescher: Wandlung zum Realgymnasium und zur Oberschule für Jungen (neusprachlicher Typ), und in meiner Zeit: Wandlung vom Typ der Oberschule zum Typ des mathe-matisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums.

Am 12. September 1950 fand im Rathausaal die Feierstunde zur Amtseinführung von mir und von Frau Dr. Schermbach statt. Denn der Rat hatte beschlossen, das Mädchengymnasium ebenfalls zu einer Vollanstalt auszubauen. Die Amtseinführung nahm Frau Oberschulrätin Justus vor.
In den nun folgenden Jahren lagen folgende Aufgaben vor mir: 1. Weiterer Ausbau de» Schulge-bäudes, 2. Vervollständigung der Zahl der Lehrer, 3. Ausbau der Lehrmittelsammlungen, 4. Ausbau der Elternvertretung, 5. Aufbau der Schülermitverantwortung. 5. Besserung der Leistungen der Schüler.
Der Rat der Stadt wählte auf meinen Vorschlag Herrn Studienassessor Nimtz und Herr Oberschul-lehrer Grundmann zu Stadienräten. Sodann nahm ich Herrn Studienrat Walter Hahn auf, der aus Breslau stammt, von dort nach Ballenstedt kam und infolge des unerträglichen Drucks der SED im August mit seiner Familie heimlich über die Grenze in den freien Westen ging. Er war uns als ausge-zeichneter Lehrer sehr willkommen. Er übernahm die Stelle von Herrn Dr. Kintrup. Am 25. Juni promovierte Herr Nimtz in Münster zum Dr. phil. im Fach Psychologie. Gleichzeitig bemühte ich mich um die Anstellung von Herrn Dr. Dietzler, der als Latein- und Religionslehrer notwendig ge-braucht wurde. Auch der Ausbau des Schulhauses ging weiter. Noch im September wurden die Fußböden in den Klassenräumen erneuert, was natürlich Störungen des Unterrichts hervorrief. Es wurde auch ein neuer Zeichensaal gebaut und zwar wurde in der 2. Etage nach Westen zu aufge-stockt. Gleichzeitig wirkten die Maler im Hause. Aber trotz der Störungen waren wir froh, daß es vorwärts ging im Wiederaufbau.
Am 30. 11. und 1. 12. fand in Münster das 125jährige Jubiläum des Provinzialschulkollegiums statt, an dem ich teilnahm. Es wurde eine glanzvolle Feier mit Festakt in der Stadthalle in Gegenwart vie-ler Ehrengäste. Danach war ein Empfang Im Kaiserhof, wo ich Gelegenheit hatte, den Erzbischof Jäger von Paderborn und Präses Wilm zu begrüßen sowie mit Kultusminister a. D. Grimme Erinne-rungen auszutauschen.
In der Schule fanden noch im Jahre 1950 zahlreiche Klassenelternabende statt. Nach Fertigstellung des neuen Zeichensaals übernahm Herr Herzer halb am Jungen- und halb am Mädchengymnasium den Kunstunterricht.

Als Sekretärin wirkte Frau Clarfeld, auch zur Hälfte bei uns und zur Hälfte am Mädchengymnasi-um.
Es folgte ein ziemlich strenger Winter und es war Koksmangel. Daher wurden die Weihnachtsferien verlängert. Es gelang aber, für die Oberprimaner einen Raum im Rathaus zu bekommen. Es mußte gearbeitet werden, weil die Reifeprüfung bevorstand. Erst am 16. 1. begann der Unterricht wieder.
Am 26. 1. war abends die erste Elternbeirats-Versammlung, in der Herr Dr. med. Ritter zum Vorsit-zenden gewählt wurde. Er hat jahrelang dieses Amt gehabt und wir haben sehr gut miteinander gearbeitet.

Vor Ostern wurden neben dem Unterricht noch folgende Dinge erledigt: Es wurden die Sexta-neraufnahmeprüfungen durchgeführt, bei der erstmalig die psychologischen Beobachtungsbogen eine Rolle spielten. Sie haben sich aber nicht lange gehalten. Dann wurden die Herren Dr. Weinrich und Schmidt zu Studienräten gewählt. Dann kamen die neuen Schulmöbel an und die Klassen er-hielten ein besseres Aussehen. Für die Klassen ab Untersekunda wurden statt der Bänke Tische und Stühle beschafft. Damals war das eine bemerkenswerte Neuerung, heute ist es eine Selbstverständ-lichkeit. Im März 1951 begann der Umbau der Aula, die eine Empore erhielt und neue Fenster und neues Gestühl. Am 15.3. begann die Reifeprüfung unter Vorsitz von Frau Oberschulrätin Justus. Sie dauerte bis zum 18. Vierundzwanzig Oberprimaner bestanden, zwei nicht. Es gelang uns noch, Herrn Studienrat Herzer ganz als Kunsterzieher zum Gymnasium zu holen und Herrn Studienasses-sor Hildebrecht nach Schwerte überweisen zu lassen. Daneben drohte immer der Koksmangel und Herr Reddemann, der Hausmeister zeigte sich als Künstler im Strecken der Koksbestände durch Schlammkohle. So war mein erstes Amtsjahr vollgepackt mit Arbeit.
Das Wirtschaftswunder begann wohl, aber die Menschen erfassten es noch nicht. Aber wir spürten doch manche Verbesserungen im allgemeinen Leben und in der Schule. Da in Dortmund noch viele Trümmer waren, gab das Dortmunder Stadttheater im Freischütz seine Vorstellungen, wodurch wir Schwerter und auch unsere Schüler viele Vorteile hatten. Herr Studienrat Stüttgen setzte sich selbst-los und eifrig für eine Theatergemeinschaft mit Dortmund ein und seitdem haben die Schwerter Bürger und Schüler zahllose Schauspiele, Opern und Operetten sehen können.
Am 16. 6. fand die Grundsteinlegung zum neuen Mädchengymnasium statt, sodaß wir Hoffnung haben konnten, daß der Schichtunterricht in absehbarer Zeit zu Ende gehen würde.
Wir hatten im Schuljahr 405 Schüler und 18 vollbeschäftigte Lehrer.

Seit dem 1. 3. 1952 führt nun unser Gymnasium den Namen:
Friedrich-Bährens-Gymnasium (Stadt. Mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium).
Friedrich Bährens war zur Goethezeit als Seelsorger, Erzieher und Arzt nicht nur Mittelpunkt des Kulturlebens der Stadt, sondern hatte durch zahlreiche Veröffentlichungen und seine anerkannte Tätigkeit in vielen wissenschaftlichen Gesellschaften seiner Zeit auch über den westfälischen Raum hinaus einen Namen. Er führte die Schwerter Stadtschule durch neuzeitliche Erziehungsmethoden und Erweiterung der Stoffgebiete so weit empor, daß sogar die Hochschulreife erlangt werden konnte. Seine Lehren erstreckten sich in großartiger Zusammenschau in viele geistes- und naturwis-senschaftliche Gebiete hinein, ja, bis zu den Anregungen für die alltägliche Lebensführung. Er war ein echter Polyhistor und – was besonders bemerkenswert ist, ein Mann, der den Begriff der Ganz-heit instinktiv erfaßte. Damit war er seiner Zeit weit voraus und selbst heute ist der Begriff Ganzheit den meisten Menschen noch unzugänglich.

Wenn wir auch nicht den Anfang unserer höheren Schule auf jene von ihm gegründete Lateinschule zurückführen können, so erfüllten wir mit der Namensführung eine besondere Pflicht als ehrende Anerkennung diesem bedeutenden Mitbürger gegenüber und zugleich soll uns sein Name die Ver-pflichtung auferlegen, sein geistiges Erbe zu bewahren. Gerade im technischen Zeitalter ist es ge-schehen, daß der Mensch gewissermaßen in Sachgebiete zerlegt wurde und man kein Gefühl dafür hatte, daß in jedem kleinen Teilgebiet des Menschen immer der ganze Mensch berührt wird. Heute spricht man viel davon. Ganzheitsmethode ist fast ein Schlagwort geworden, aber Ganzheitsmedizin und Ganzheitspädagogik sind Notwendigkeiten der Gegenwart, wenn ans das Kollektiv nicht übermannen soll.
Um ein Klassenzimmer zu gewinnen, ließ ich den Haupteingang Ecke Lessingstraße-Kirsch-baumsweg vermauern und gewann dadurch noch einen Klassenraum. Da der alte Zeichensaal in der 1. Etage durch eine Zwischenwand geteilt wurde, gewann ich 3 Klassenräume. Dann wurde das Treppenhaus vollständig umgebaut und der Haupteingang nach hinten verlegt. Die Turnhalle konnte leider nicht vergrößert werden, aber sie wurde renoviert und neu aasgestattet. Sorge machte die mangelhafte Ausstattung und Unterbringung der Naturwissenschaften. Endlich wurde ein völlig neuer Umbau beschlossen. Der Hausmeister sollte aus seiner Kellerwohnung heraus. Daher wurde in nördlicher Richtung an die Turnhalle ein kleines Einfamilienhaus für den Hausmeister gebaut und die Kellerwohnung in Räume für die Chemie umgewandelt. Der Raum über dem alten Hauptein-gang wurde zu einem würdig ausgestatteten Lehrerzimmer umgestaltet. Das Lehrerzimmer wurde die Bibliothek. Auch die Physikräume wurden neu gestaltet. Und das Ende des Parterreflurs bekam den zweiten Eingang für die Schüler. Durch diese Tür sollten die Schüler des Erdgeschosses in den Pausen das Gebäude verlassen, damit am Haupteingang kein Gedränge entstand. Ausserdem wurde der hintere Haupteingang durch einen gedeckten Säulengang mit dem Turnhalleneingang verbun-den, damit die Schüler bei Regen trockenen Fußes in die Turnhalle gehen konnten.

Das waren die Hauptreparaturarbeiten, die sich in meiner Dienstzeit bis 1957 hinzogen. Mehr konnte aus dem alten Gebäude nicht gemacht werden. Daß die Arbeiten meist termingerecht fertig wurden, war der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Bauamt, besonders mit Herrn Oberbaurat Schmidt und Herrn Stadtarchitekten Stein, zu verdanken.
Das Lehrerkollegium mußte vervollständigt werden. Im Jahre 1952 trat Herr Studienrat Karl Ma-ruschke seinen Dienst an. Er war, wie Herr Hahn, ein Heimatvertriebener. Ausserdem überwies im gleichen Jahr das Schulkollegium Frl. Assessorin Ursula Meienborn. Damit konnte der Stundenplan ohne wesentliche Kürzungen durchgeführt werden. Allerdings waren 2 Planstellen noch nicht be-setzt. Die Klassen von VI bis U III waren zweizügig vorhanden, die anderen nur einzügig. 422 Schüler besuchten in diesem Jahr 1952 die Schule.

Nach den schweren Zeiten des Krieges und der Nachkriegszeit ist auch eine Bemerkung über den Gesundheitszustand der Schüler notwendig. Das Kreisgesundheitsamt untersuchte die Schüler von Zeit zu Zeit und begann auch mit Röntgenreihenuntersuchungen. Auch der Schulzahnarzt hielt Zahnuntersuchungen ab. Sodann richtete ich eine Milchlieferung ein. Die Schüler erhielten täglich auf Wunsch ein Fläschchen Milch für 12 Pfg. Im Jahre 1952 beteiligten sich 35% der Schüler. Nachdem der Hausmeisteranbau fertig war, konnten im Duschraum im Sommer und im Winter warme Bäder genommen werden. Die Schülertoiletten worden erneuert.
Der Unterricht lief nun immer planmäßiger und störungsfreier. Auch neben dem Unterricht wurde viel für die Schüler getan. Dir Wander-Tage wurden ziemlich regelmäßig eingehalten, der Turn- und Sportunterricht wurde voll gegeben, da wir drei Lehrer mit Turnfakultas hatten. Daneben beteiligten sich die Schüler auch jährlich am Bannerkampf der höheren Schulen, es wurden einige Ausstellun-gen von Schülerarbeiten aus dem Kunstunterricht veranstaltet, darunter eine Ausstellung im Rat-haus: Graphik in der Schule. Auch musikalische Veranstaltungen gab es und Schulfeste, Schulkon-zerte und einmal, gemeinsam mit dem Mädchengymnasium, wurde die Schuloper „Des Kaisers neue Kleider“ aufgeführt. Auch die Bundesjugendspiele wurden regelmäßig durchgeführt. Ein Höhe-punkt war wohl am 15. 7. 1953 die Schulfahrt zum Rhein. Die Schüler der Schule und sehr viele Eltern sowie die Lehrer mit ihren Familien beteiligten sich. Ein Sonderzug brachte uns nach Köln, wo wir einen Rheindampfer bestiegen, der uns bis zu den Pfeilern der zerstörten Rheinbrücke von Remagen brachte, dann wendete und uns in Königswinter absetzte. Hier machten die einzelnen Klassen Spaziergänge in die Berge und gegen Abend brachte uns der Dampfer nach Köln zurück, von wo wir wieder mit dem Sonderzug nach Schwerte fuhren. Gegen 22 Uhr kamen wir in Schwer-te an. Eine Kapelle und hunderte von Eltern erwarteten uns, mit Lampions zogen wir dann im ge-schlossenen Zuge zur Treppe des neuen Rathauses, wo etwa 1000 Personen zusammenkamen. Dort sprach ich einige Abschiedsworte und nach dem gemeinsamen Lied „Kein schöner Land…“ gingen wir heim. Auch Schulmeisterschaften im Fußball wurden regelmäßig ausgetragen. Da ich selbst Turn- und Schwimmlehrer war, legte ich großen Wert auf Leistung, aber auch auf die dazu gehö-rende Erholung. Mir ist immer bewußt gewesen, daß die Entwicklungsphasen der körperlichen, geis-tigen und seelischen Seite bei der Jugend nicht mehr in gesunder Beziehung zu einander stehen. Die Phase der körperlichen Entwicklung ist vorverlegt, besonders im geschlechtlichen Bereich. Aber alle drei Phasen sind dazu auch noch zusammengedrängt. Dazu kommt dann noch, daß die technisierte Aussenwelt starke Reize ausübt und Mangel an Konzentration, Nervosität und Neurosen bei der Jagend bringt. Aber es ist doch ein Unterschied zwischen der Großstadtjugend und Schwerte. Die Kleinstadt und das gute Bauerntum der Umgegend hatte mehr Abwehrkräfte als die Großstadt. Darauf führe ich es zurück, daß die Bannerkampfmannschaft unserer Schule in Hamm am 28. und 29. 7. bei der Teilnahme von 84 Gymnasien den dritten Platz erreichen konnte.

Eine Erschütterung brachte der Tod unseres jungen Stadienrats Dr. Siegfried Nimtz, der in der Nacht vom 18. zum 19. 12 1953 in der Nervenheilanstalt Dortmund-Aplerbeck plötzlich verschied. Schon eine Woche vorher erlitt er einen Zusammenbrach, verbunden mit Wahnvorstellungen. Da er zu mir großes Vertrauen hatte, gelang es mir, ihn zu überreden, nach Hause zu gehen. Dort und nachher erlitt er Tobsuchtsanfälle und bei einem solchen Anfall starb er. Ich kannte ihn sehr genau, da wir viele vertrauliche Aussprachen hatten, wobei ich seine geniale Begabung für Metaphysik und Mystik erkannte. Er war ein begnadeter, aber zwiespältiger Mensch, der sich sehr viel mit Schriften esoterischen Inhalts befasste. Dabei war er ein glänzender Pädagoge, der geradezu von neuen päda-gogischen Ideen sprühte. Er war Ordinarius der O IIIa und hier ließ ich ihn frei nach seiner Methode walten. Es war erstaunlich, wie gut das Vertrauensverhältnis zu den Jungen war, die doch meist in der Periode der Pubertät verschlossen sind. Noch einige Jahre nach dem Tode legten Schüler dieser Klasse regelmäßig Blumen auf sein Grab. Ich erfuhr auch, wie sehr Herr Nimtz überarbeitet war, denn in den Ferien erholte er sich nicht, sondern arbeitete für die Verbände, in denen er führend tätig war, als da sind die Gesellschaft für Akmosophie, der Weltbund für neue Erziehung, die Jean-Paul-Gesellschaft und die Christengemeinschaft. Am 23. 12. war die Trauerfeier mit Beisetzung auf dem ev. Friedhof. Die ganze Schule nahm teil und ich hielt ihm eine Gedenkrede.
Das Schuljahr 1954/55 ließ sich gut an. Wir bekamen überwiesen: Studienassessor Dr. Aubke und Studienassessorin Drexhage. Und wir gingen mit einer Schülerzahl von 465 ins Schuljahr.
Die Form des mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums wurde ebenfalls festgelegt. Im Einverständnis mit dem Schulkollegial und dem städtischen Schulausschuß beschlossen wir, ab Os-tern 1954 in der Sexta mit Latein zu beginnen, das dann durchlief bis Ober-Sekunda. Sorge machte die Schaffung einer Oberstudienratstellung. Fast alle höheren Schulen hatten die Stelle eines Ver-waltungsoberstudienrats. Wenn man bedenkt, daß wir die Sekretärin, Frau Clarfeld, nur dreimal in der Woche zur Verfügung hatten, trotz der immer wachsenden Verwaltungsarbeit, so konnte ich unmöglich auf die Besetzung dieser Stelle verzichten, trotz der schwierigen finanziellen Lage der Stadt. Herr Studienrat Heinrich Stüttgen hatte sich schon seit Jahren uneigennützig zur Verfügung gestellt und praktisch schon die Geschäfte übernommen.

Dann erhielten wir jedes Jahr für einige Wochen sog. Schulpraktikanten, d. h. Studenten, die durch ein Praktikum prüfen sollten, ob sie die notwendige pädagogische Eignung besaßen.
Am 1. 8. 1954 verließ uns auch Herr Vikar Paul Münzner, der viele Jahre lang den katholischen Religionsunterricht gab, um eine Pfarrstelle in Hamm zu übernehmen. An seine Stelle trat Herr Studi-enassessor Walter van Ackeren.
Am 5. 11. 1954 ging Herr Studienrat Wilhelm Klaas in den Ruhestand. Jahrzehnte lang hatte er am Schwerter Gymnasium Deutsch und Englisch unterrichtet, stets gewissenhaft gearbeitet und jahrelang daneben die Bibliothek der Schule verwaltet. Er verzog in seine Heimat Höxter, aber das Schicksal vergönnte ihm keinen Lebensabend, denn schon nach einem ¾ Jahr starb er dort.
Inzwischen gingen die Umbauarbeiten im Schulgebäude vorwärts, aber viel zu langsam und mit vie-len Störungen des Unterrichts. Aber man konnte nichts dagegen tun.
Am 31. 3. nun trat Frau Clarfeld endgültig als Sekretärin zum Mädchengymnasium über. Frau Clar-feld war die Tochter des verstorbenen ehemaligen Studienrats Professor Wiebeck und hat uns jahre-lang mit Fleiß und Geschick in unserer Verwaltungsarbeit unterstützt. An ihre Stelle trat nun Frau Waltraud Schneider, und zwar nach langen Verhandlungen, als volle Kraft, während Frau Clarfeld nur dreimal wöchentlich arbeiten konnte.
Im Winter 1954/55 grassierte auch eine Grippe in Schwerte, sodaß etwa 10% der Schüler von ihr befallen wurden.
Ostern 1955 verließ uns Frl. Assessorin Drexhage, um in Bad Salzuflen eine Studienratsstellung anzunehmen.

Leider zog sich die Genehmigung der Stelle des Verwaltungs-Oberstudienrats noch immer hinaus. Der Schulausschuß genehmigte nur 16 Planstellen, obwohl ich 18 beantragt hatte, doch war es ein kleiner Fortschritt, da ich 12 Dauerklassen angeben konnte und wir somit eine Stelle mehr als vorher bekamen. Diese Stelle mußte ein Lateinlehrer einnehmen, aber diese waren kaum vorhanden. Ich entschied mich für Herrn Studienrat Adolf Kling aus Marktbreit am Main, dessen Anstellung sofort beschlossen wurde. In den Sommerferien besuchte ich ihn dort und brachte ihm die Anstellung.
Erst in diesem Schuljahr wurden Aula und Turnhalle endgültig fertig Als letzter Raum wurden das Direktorial-Vorzimmer und mein Amtszimmer fertig.
Aus dem letzten Schuljahr ist noch nachzutragen, daß Herr Oberstudienrat Dr. Heinrich Fromen infolge der Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand trat. Er mußte aber weiterbeschäftigt werden, da wir noch immer Mangel an Lateinlehrern hatten. Und Herr Oberschullehrer Heinrich Grundmann wurde zum Studienrat ernannt. Damit wurden seine großen Verdienste am die Turn- und Sportbewegung und die Erreichung des guten Leistungsstandes unserer Schüler in diesen Fä-chern belohnt. Sodann trat Herr Studienassessor Horst Killet seinen Dienst an.

Das Jahr 1956 begann mit der Wahl der Herren Killet und van Ackeren zu Studienräten. Nach langjährigen Bemühungen gelang es endlich, den Widerstand der Stadt zu überwinden, und die Wahl des Herrn Stüttgen bis 1957 endlich durchzuführen. Gleichzeitig wählte der Rat der Stadt den Lei-ter der Zweigstelle Dortmund der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Dortmund, Herrn Dr. Dr. Spellerberg zum Stadtdirektor. Das wirkte sich auf die Schule günstig aus. Wäre er eher dagewesen, hätten wir in der Oberstudienratsfrage schneller Erfolg gehabt.
Zu Ostern 1956 trat Herr Dr. phil. Karl Hiddemannn in den Ruhestand. Damit schied wiederum ein alter Lehrer aus, der die ganze Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, den 2. Weltkrieg selbst und die Nachkriegszeit ununterbrochen seinen Dienst getan hatte. Ich sprach ihm in einer Konferenz am 2. 5. in einer Dankesrede den Dank des Schulkollegiums, des Bürgermeisters und des Stadtdirektors aus und entließ ihn mit den besten Wünschen. Die Schule hatte im Schuljahr 496 Schüler, davon waren 68% evangelisch, 29% katholisch und 3% anderen Bekenntnisses.
Am 15. Mai vollendete ich das 65. Lebensjahr und hatte laut Anordnung die Amtsgeschäfte bis zum Ende des Schuljahrs 1956/57 zu führen. Gleichzeitig trat im Dezernat ein Wechsel ein. Frau Ober-schulrätin Justus gab das Dezernat ab an Herrn Mensing. Die jahrelange Zusammenarbeit hatte rei-che Früchte getragen und ich fand stets ein offenes Ohr in Münster. Doch glaubte ich auch, daß der neue Oberschulrat, Herr Mensing, bisher Oberstudiendirektor in Paderborn, ein ebensolches Ver-hältnis haben würde. Dazu berechtigte mich die Tatsache, daß wir beide 18 Jahre zusammen Studi-enräte an der Oberrealschule in Dortmund gewesen waren und durch unsere gemeinsame Gegner-schaft zum Nationalsozialismus schon immer verbanden fühlten. Er besuchte ans am 22. und 23. 6. und besichtigte die beiden Gymnasien. Er bekam einen günstigen Eindruck von der Schule und ihm ist es zu verdanken, daß Herr Heinrich Stüttgens Wahl zum Verwaltungsoberstudienrat energischer betrieben wurde. Leider gab es in dieser Zeit viele Intrigen gegen die Wahl, die ich aber schnell und diskret abfangen konnte.

Leider verstarb unser Dezernent, Herr Oberschulrat Mensing plötzlich am 24. 7. an einer Embolie. Frau Dr. Scharmbach und ich fuhren am 28. 7. mit meinem Wagen nach Paderborn, wo die Trauerfeier und Beisetzung stattfanden. Damit hatte die Schule sicher einen großen Verlust erlitten.
Zu Ostern 1956 trat auch Herr Oberschullehrer Friedrich Oberstadt seinen Dienst an. Er kam aus der russischen Kriegsgefangenschaft, wo er 10 1/2 Jahre ausharren mußte. Wir nehmen ihn mit Freuden, denn er zeigte sich als ein hervorragender Pädagoge und konnte den Unterricht in Physik, Chemie und Mathematik vorzüglich geben. Seitdem ist er eine unentbehrliche Kraft für das Gymnasium geworden.
Der Ausbau des Schulgebäudes war immer noch nicht beendet. Noch immer donnerten Preßluft-hämmer durch das Haus, denn nun wurden die Kellerräume zu Unterrichtszwecken umgebaut.
Im Herbst erhielten wir wieder einen Lehrer. Herr Studienassessor Dette wurde überwiesen und sofort wurde seine Arbeit in den Unterrichtsplan eingebaut.
Da Herr Oberstudienrat Dr. Fromen als Ruheständler noch Unterricht gegeben hatte und nun aus Krankheitsgründen seine Tätigkeit beenden mußte, erhielten wir Herr Assessor Windhövel als Ersatz zugewiesen. Damit war die Gefahr für den Lateinunterricht beseitigt.
Mit dem Januar 1957 trat ich ins letzte Quartal meiner Amtstätigkeit als Oberstudiendirektor. Nach dem Tode des Herrn Mensing wurde der bisherige Oberstudiendirektor Dr. Venske zum Oberschul-rat ernannt und mit dem Dezernat unserer Schule betraut.
Sonst gab es viele Abschlußarbeiten und im Schulausschuß die Vorbereitung zur Wahl meines Nachfolgers, die ich so zeitig betrieben hatte, dass kein Übergangsvakuum entstehen sollte.
Dann folgte meine letzte dreitägige Aufnahmeprüfung für die Sexta, die Reifeprüfung der Ober-primaner und die Abschiedsbesuche in allen Klassen. Am 30. März 1957 war mein letzter Dienst und ich übergab die Geschäfte an Herrn Oberstadienrat Stüttgen. Das war in einer Konferenz, in der ich zugleich die Pensionierung der Herren Hahn und Maruschke bekannt gab. Ich würdigte beide Herren als Erzieher, als Wissenschaftler, als Philosophen. Dieses insbesondere am Beispiel der Auf-fassung vom Wesen der Transzendenz. Ich würdigte sie als echte Studienräte, denen die anderen Kollegen nacheifern sollten, wenn sie die Achtung des Standes erhalten wollten. Dazu gehöre auch der Einsatz für die Gemeinschaft. Viele Studienräte seien wie Zuschauer in einem Theater und ver-hielten sich passiv. Die Gegenwart aber, der neue Humanismus, verlange, daß man sich als aktive Mitgestalter fühle und betätige. Beide Kollegen haben das auf manchen Gebieten des Lebens be-wiesen. Zuletzt würdigte ich sie als exakte Arbeiter, was auch daran ersichtlich war, daß ihre Klas-senbücher immer in Ordnung waren, dann überreichte ich ihnen die Urkunden der Landesregierung und das Dankschreiben der Stadt und sprach ihnen den Dank des Lehrerkollegiums aus mit Über-reichung eines Geschenks.

Das Kollegium des Friedrich-Bährens-Gymnasiums setzte sich im Schuljahr 1956/57 aus folgenden Herren zusammen:
Jäde als Oberstudiendirektor, Heinrich Stüttgen als Oberstudienrat, den Studienräten Hahn, Herzer, Maraschke, Abel, Buckemüller, Wienken, Dr. Dietzler, Korb, Kling, Grundmann, Dr. Heinrich, Schmidt, Hildebrecht, Killet, den Studienassessoren Dr. Aubke, Dr. Dette, Meienborn, Van Acke-ren, Windhövel, dem Oberschullehrer Oberstadt und den Hilfskräften Dr. Hiddemann, Vikar Gossmann, Pfarrer Stumpf und Pfarrer Goeke. Die Gesamtschülerzahl betrug 494 in 16 Klassen. Alle Klassen von Sexta bis Obersekunda waren doppelt vorhanden.

Meine letzten Abiturienten waren: Heinz Achenbach, Ulrich Bals, Fritz Benker, Otto Faßbinder, Hans-Jürgen Großekemper, Martin Hoffmann, Horst Jürgen Köhne, Heinzhermann Knapp, Hans Könne, Horst Kortmann, Hans Lahme, Klaus Lecking, Ulrich Müller, Horst Sander, Dieter Spruth, Rochus Graf Strachwitz, Rainer Taprogge, Gerhard Thomas, Gunter Weiß.

Meine Verabschiedung fand am 2. 4. in der Aula statt. In Gegenwart der oberen Klassen, der Her-ren des Kollegiums mit ihren Damen, den Vertretern der Stadt und des Rates, der Kirchen und der Eltern. Dazu kam vom Schulkollegium Herr Oberschulrat Bruchmann. Nach Reden vom Oberschul-rat und musikalischen Darbietungen des Schulorchesters und Schülern als Solisten sprachen noch der Herr Bürgermeister Wengenroth, als Elternvertreter Herr Dr. med. Ritter, als Schulsprecher der Oberprimaner Dammeyer, Studienrat Herzer als Sprecher des Kollegiums und schließlich ich selbst. Unter den vielen Geschenken bemerkte ich besonders die Bücher „Ernst Abbe“ und „Die Entste-hung des Geistes aus dem Altertum“. Das Buch „Ernst Abbe“ erfreute mich besonders, weil der Gründer der Zeißwerke der Bruder meiner Urgroßmutter war.

Zum Schluß ein kurzer Rückblick. In meinen Ausführungen kommt meine grundsätzliche Auffas-sung von moderner Pädagogik wenig zum Ausdruck. Leider mußten erst die äußeren Voraussetzun-gen dafür geschaffen werden, um erfolgreich arbeiten zu können. Meine Hauptbeschäftigung war die Schaffung eines Gebäudes, das diesen Anforderungen entsprach. In meinen Dienstjahren ist immer gebaut worden, immer wurde der Unterricht gestört durch Bauarbeiten. Diese wurden erst am 1. 1. 1957 abgeschlossen. Pädagogik ist weniger eine Wissenschaft als eine Kunst, die genau so angeboren ist wie musikalische Begabung. Man spürt als Direktor schnell, wer diese Begabung hat und wer nicht. Aber wenn trotzdem eine gute Arbeit erfolgen soll, so ist die erste Voraussetzung ein gutes Zusammenarbeiten mit dem Kollegium. Ich glaube, daß mir das gelungen ist und Herr Herzer brachte das in seiner Abschiedsrede sehr deutlich zum Ausdruck. Ich habe nie eine ernstliche Diffe-renz mit dem Kollegium als Ganzem oder mit einem einzelnen Herrn gehabt. Daher war mir die Ar-beit stets eine große Freude. Am wichtigsten ist das Verhältnis zu den Schülern. Sine gute Erzieher-arbeit kann nur geleistet werden, wenn die Bande des Vertrauens hin und her geknüpft werden und wenn der Schüler spürt, daß er ernst genommen wird. Ich habe das versucht, mit allen Schülern, auch mit denen, die ich nicht im Unterricht hatte. Dank meines guten Gedächtnisses kannte ich mindestens 450 Schüler mit Namen und sprach so oft wie möglich mit ihnen über ihre persönlichen Nöte.

Vom Zustand des völligen Zusammenbruchs bis zu Ostern 1957 war noch nichts Vollkommenes erreicht worden, aber im Ganzen gesehen, doch wohl das optimal mögliche. Meine Aufgabe war eigentlich, die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen für eine gute Erzieherarbeit. Ich hoffe, das erreicht zu haben und bin der Meinung, daß meine Nachfolger den besseren Teil zu bewältigen ha-ben, nämlich gute pädagogische Erfolge.
Mein Wunsch ist, daß das Friedrich-Bährens-Gymnasium dieses Ziel erreichen möge.

Schwerte, den 6.8.1966,
Wilhelm Jäde