Frühe Studien
Am 1. März 1765 wurde Johann Christoph Friedrich Bährens als Sohn des Rektors Conrad Heinrich Bährens in Meinerzhagen geboren. Sein Weg als Lehrer oder Prediger war durch seine Herkunft vorgezeichnet. „Die Familie Bährens zählte zu den unvermögenden bürgerlichen Kreisen. Das höchste Amt … ohne hohe finanzielle Aufwendungen für Studium und Prüfungsgebühren… war das des Predigers bzw. des Lehrers.“2 Andererseits genoss die Familie hohes Ansehen, wie die honorigen Paten des Kindes beweisen.3 Die Mutter starb 1772, der Vater heiratete fünf Jahre später zum zweiten Mal. Das häusliche Umfeld belastete den intelligenten Jungen, obwohl er von seinem Vater als Erzieher nur positiv spricht.

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1781 holte ihn seine Patentante Wilhelma Schürmann, die Schwester seiner Mutter, nach Hagen, wo er die Schule des Rektors Klenke besuchte. Doch trotz gut gemeinter Förderung gab es für Bährens hier bald nichts mehr zu lernen: Er wechselte nach Gummersbach zu Rektor Kumpf, fand aber erst in Gottlieb Erdmann Gierig in Lennep einen geeigneten Lehrer, der sich als Humanist und Publizist einen Namen gemacht hatte. Der junge Bährens drängte in die Wissenschaft. Das war zunächst die Medizin, die Physiologie und auch die Alchemie. „Auch übersetzte er ein in Latein abgefasstes alchemistisches Manuskript von Gerhard Dorn ins Deutsche.“4 1784 nahm er in Halle an der Saale das Studium der Theologie und Philosophie auf. Zahlreiche Schriften entstanden in den knapp zwei Studienjahren. Zwei theologische Schriften und ein medizinisches Werk, „Beiträge zur Pastoralmedizin“, sind zu nennen, in dem der angehende Wissenschaftler fordert, dass ein Seelsorger medizinische und psychologische Kenntnisse haben müsse, wenn er einem kranken Gemeindemitglied beistehen wolle. Werke zur Einführung in die lateinische und griechische Sprache, eine kritische Auseinandersetzung mit den Moderomanen der damaligen Zeit wie auch das schockierende Buch, „Versuch über die Vertilgung der Unkeuschheit“, zeigen die Bandbreite der Themen, die der junge Autor aufgriff. Und sein Interesse am Okkulten zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Lebenswerk.

Konflikt mit dem Vater
Er hatte den Plan, in Meinerzhagen ein Pädagogium zu gründen, das die höheren Bildungsansprüche für Jungen und Mädchen abdecken sollte, und nach einem harten Kampf mit den zuständigen Stellen und einem besonders mühseligen Ringen um Geldzuwendungen erreichte er sein Ziel. 1786 kam er in Meinerzhagen an, ausgezeichnet mit dem Titel des Magisters der Philosophie von der Universität Halle – und traf auf einen erbitterten Gegner in Gestalt seines Vaters, der, selbst für den höheren Schulunterricht zuständig, seine bisherigen Einnahmen gefährdet sah. Der Konflikt steigerte sich durch die Heiratspläne des Sohnes, man landete vor Gericht, und Friedrich Bährens wollte schließlich Meinerzhagen verlassen.

Aber Meinerzhagen wollte den jungen Pädagogen nicht gehen lassen. So startete Friedrich Bährens sein Pädagogium und heiratete am 19. Mai 1786 Christina Elisabeth Charlotte Weylandt, die ihm eine verständnisvolle, an seinen vielschichtigen Arbeiten interessierte Gefährtin wurde. Sie gebar ihm acht Kinder, und als sie am 17. April 1810 in Schwerte an einem Lungenleiden verstarb, entwarf der Witwer einen Grabstein für sie, der noch heute auf dem alten Kirchhof von St. Viktor zu sehen ist: eine Säule aus Ruhrsandstein, in die eine gewaltige Rose mit großen Dornen eingemeißelt ist, und darunter die Widmung: „So war sie“. Es war die Hommage an eine starke, kraftvolle Frau, die ihren Mann zeitlebens unterstützt hat. Die Widerstände des Vaters gegen die Heirat sind also ins Leere gelaufen.

Pädagogische Anfänge
Aus kleinen Anfängen wuchs das Pädagogium zu einer Einrichtung mit 30 Schülern an, damals eine beachtliche Zahl. Die von Bährens herausgegebenen Lehrpläne umfassten Latein, Griechisch und Französisch, teilweise mit vom Rektor verfassten Lehrbüchern, Hebräisch, Italienisch und später Arabisch, Religion, Naturgeschichte, Naturlehre, Weltgeschichte, Briefstil, Kunsttheorie, Redeübungen, Philosophie, für zukünftige Kaufleute Buchhaltung und Münzlehre und außerdem Geometrie und Rechnen. Verständlich, dass ein solcher Fächerkanon auch auswärtige Schüler anzog und dem Pädagogium den Erfolg sicherte.

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Hofrat Friedrich Bährens
Doch rief gerade die Fächervielfalt Kritik hervor, finanzielle Probleme und gesundheitliche Einbrüche bei Bährens selbst kamen hinzu – so ein Leberleiden, das ihn neun Wochen lang dienstunfähig machte und damit jedweden Unterhalt für seine Familie blockierte. Nach zähem Ringen um den Erhalt des Pädagogiums in Meinerzhagen war die Einrichtung am Ende. Der Staatsminister von Woellner berief Bährens 1789 auf die vakante dritte Predigerstelle der lutherischen Gemeinde in Schwerte, die an das Rektorat der dortigen Lateinschule gekoppelt war. Friedrich Bährens konnte sein Meinerzhagener Pädagogium sozusagen nach Sehweite mitnehmen – ein Glücksfall für ihn und für die Stadt. Für den neuen Rektor der Lateinschule war durch die Predigerstelle ein Jahreseinkommen von 150 Reichstalern sichergestellt, und die Schule blühte auf mit dem bereits in Meinerzhagen bewährten Konzept.

Erfolg in Schwerte
„Bei der… ersten öffentlichen Lehrprobe der von Bährens geführten Schwerter Lateinschule traten 20 Schüler und sechs Schülerinnen vor das Publikum. Elf Vortragende stammten aus Schwerte und Ergste. Lediglich vier Schüler waren noch Pensionsgäste – und zwar aus Lüdenscheid, Halver, Werden und Iserlohn.“ 5

Friedrich Bährens selbst unterrichtete in zehn Fächern. „… kurz, er hätte nahezu unser ganzes Lehrerkollegium bequem vertreten können“, lautet der launige Kommentar von Gudrun Leuer in der Festschrift des FBG zum 60. Abitur 1984.6 Der tüchtige Pädagoge vervielfachte den Schülerbestand innerhalb kürzester Zeit: „Amtlichen Unterlagen zufolge hatte der Magister den Betrieb mit sieben Schülern von seinem kommissarisch bestellten Vorgänger Wulfert im Oktober 1789 übernommen. Schon nach einem halben Jahr belief sich die Schülerzahl jedoch auf 29.“7 Hinzu kam eine geschickte Finanzierungspolitik, mit der Bährens das Angebot von öffentlichen und privaten Studien erweiterte und Kinder bedürftiger Eltern kostenlos am Unterricht teilnehmen lassen konnte.

Sein Vorgänger Wulfert wurde nun zu seinem neiderfüllten Gegner. Er eröffnete für Kinder, die am Schwerter Pädagogium nicht genügend Erfolg hatten, eine eigene Privatschule und vermittelte neue Interessenten an das Dortmunder Archigymnasium. Er fand Helfer bei seiner Kampagne gegen Bährens, besonders in dem Schwerter Wundarzt Luhrmann. Bährens betrieb nämlich nebenberuflich eine ärztliche Heilpraxis und wurde so zu dessen Konkurrenten. 1798 erfolgte seine Promotion als Arzt, und er erhielt die Erlaubnis eine Landarztpraxis auszuüben.

Es gelang den Intriganten tatsächlich, die Schwerter Lateinschule 1796 in den Ruin zu treiben, wobei der Schaden für die Stadt größer war als für den Rektor persönlich. Bährens selbst erteilte bis zu seinem Lebensende Privatunterricht. „Indessen blieb Bährens zeitlebens leidenschaftlicher Pädagoge… In einem auf den 10. Mai 1815 datierten Schreiben teilte der Schwerter Prediger dem damaligen Präfekten des Ruhrdepartments, Freiherr von Romberg, mit, dass er in seinen 30 Jahren Unterrichtstätigkeit 300 Gelehrte ausgebildet habe.“ 8

Vielfältige Begabungen
Betrachtet man das Arbeitspensum des Universalgelehrten, so mag man sich wundern. Sein Arbeitstag ging von morgens fünf bis abends 23 Uhr. Sieben bis neun Unterrichtsstunden täglich während der Blüte der Lateinschule, Sonntagnachmittagspredigten in der St. Viktor-Kirche und eine Fülle von Forschungstätigkeiten, die er selbst beschreibt. So experimentierte der Theologe und Philosoph („Im letzten Sommer verfertigte ich eine verbesserte Elektrisiermaschine“9), sammelte Kräuter, beschäftigte sich mit dem Glasschleifen und entwickelte die „Bährens’sche Boussole“, ein Gerät, das für mehrere Zwecke in der Astronomie und Landvermessung geeignet war. Seine Tätigkeit als Arzt und seine medizinischen Forschungen weiteten sich mehr und mehr aus, und unermüdlich arbeitete er als Publizist, u.a. für den „Westfälischen Anzeiger“. Er verfasste die Chronik der Stadt Schwerte, ordnete und rettete damit das Archiv, setzte sich für die bauliche Pflege und Erhaltung der St. Viktor-Kirche ein, kümmerte sich als Stadtrat gezielt um den Wege- und Straßenbau und wurde 1818 zum Vorsitzenden der Wegekommission ernannt. Bis 1830 hatte er dieses Amt inne und sorgte für Straßenpflasterung in der Stadt sowie für Wegebau in Villigst und Ergste. Der Kampf um den Stadtwald als städtisches Eigentum gewann Bährens nach einem zweijährigen Rechtsstreit gegen private Ansprüche.

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Das Bährenshaus in der Kötterbachstraße

1821 rückte Bährens in die erste Predigerstelle auf. Er bemühte sich um die Vereinigung der lutherischen und reformierten Gemeinden in Schwerte, was jedoch scheiterte, gründete mit dem Prediger Haver einen Verein zur Gesangsbildung, um den Kirchengesang zu verbessern, und nahm Einfluss auf das Armenwesen. Jahrelang war er als Armenarzt tätig, und der damalige Bürgermeister Engelbert Mitsdörffer vermerkt, dass Bährens lobenswerter Weise über Jahre hin die Armen kostenlos behandelt habe.10

Als zweiter Prediger konnte er Einfluss auf das Elementarschulwesen nehmen. Er richtete die Schulen in Holzen, Geisecke und Villigst, die lange ausgefallen waren, wieder ein, sorgte für die Einstellung von Lehrern und kämpfte für deren Bezahlung, übernahm die umfassende Schulaufsicht und stieß, wie bei allen seinen Bemühungen, auf viel Widerstand. Bereits 1785 hatte er die Gründung eines märkischen Lehrerseminars angedacht; nun gelang ihm trotz mancher Rückschläge eine umfassende Verbesserung des Schwerter Stadt- und Landschulwesens.

Kein leichter Gegner

Am 16. Oktober 1812 erhielt Friedrich Bährens den Badischen Hofratstitel. Eine große Ehre war die Verleihung des roten Adlerordens IV. Klasse. Dennoch traf er bei den Schwerter Bürgern nicht nur auf Anerkennung und Zustimmung. Konflikte bis zum Prozess, persönliche Befindlichkeiten und massive finanzielle Interessen waren die Widerstände, mit denen er zu kämpfen hatte. Er selbst muss jedoch auch kein leichter Gegner gewesen sein, sondern eine dominante Persönlichkeit, die sich durchzusetzen und auch finanzielle Vorteile wahrzunehmen wusste. Von dieser Begabung in Finanzdingen zeugt auch sein Lebensstil: das prachtvolle Haus in der Kötterbachstraße, seinerzeit ein aufwändiger Neubau, die ständige Beschäftigung einer Magd und einer Kinderfrau, ferner seine stets wachsende Privatbibliothek mit über tausend Bänden.

Die „dunkle Seite“ des Hofrats beflügelte natürlich die Phantasie des Volkes. Es „wurde gemunkelt, er sei nach seinem Tode hier und da als Geist erschienen“.11 Außer für seine alchemistischen Studien interessierte er sich für den Magnetismus, behandelte Nervenkrankheiten, hatte Kontakt zu den Freimaurern und zu den Rosenkreuzern und gründete selbst die „Hermetische Gesellschaft“. Als „Esoteriker“ unterteilte er den Menschen in drei Bereiche: das Physisch-Leibliche (unbelebt als Leichnam), das Lebendige (animalischer Magnetismus) und die Geist-Seele, das Bewusstsein (psychischer Magnetismus), eine Theorie, die von der zeitgenössischen Wissenschaft ernst genommen wurde.

Hofrat Friedrich Bährens starb am 16. Oktober 1833. Sein Grabstein befindet sich im heutigen Stadtpark, auf dem Gelände, das von ihm selbst 1821 feierlich als „Totenhof“, also als Friedhof, eingeweiht wurde. Als Geist erscheint er wohl nicht, aber der Geist dieses ungewöhnlichen Mannes sollte nicht nur in Schwerte fortwirken.

Anmerkungen

1  Gerhard Hallen, Johann Christoph Friedrich Bährens. Universalgenie, Esoteriker, Schwerter Stadtrat. Stadtarchiv Schwerte, Publikationen zur Ortsgeschichte Band 4, Schwerte 1997, S. 279.
2  Hallen, a.a.O…, S. 8.
3  „Die Paten waren Johann Christoph Sohn, Pastor zu Meinerzhagen. Johann Christoph Knoche zu Gendel, Friedrich Wilhelm Bährens, Rektor an der Petrikirche zu Soest, Wilhelmina Freifrau von Loy zu Listringhausen, geb. von Edelkirchen …“ (Hallen, a.a.O., S. 8).
4  Hallen, a.a.O., S. 11.
5  Hallen, a.a.O., S. 46.
6  Gudrun Leuer, Dem Namen nach …, in: Friedrich-Bährens-Gymnasium. Festschrift 60 Jahre Abitur in Schwerte 1924-1984, S. 11.
7  Hallen, a.a.O., S. 47.
8  Hallen, a.a.O., S. 48.
9  Hallen, a.a.O., S. 50.
10 vgl. Hallen, a.a.O., S. 247.
11 Leuer, a.a.O., S. 11.